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Mit allen Mitteln

8. September 2007
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Die Nerven liegen blank bei unserer Regierung. Nach einem Sommer voller Diskussionen, insbesondere um die innere Sicherheit, nach den vereitelten Terroranschlägen, bei denen die eingesetzten Mittel der Ermittlungsbehörden offenbar doch nicht ganz so sauber und rechtsstaatlich waren wie zunächst angenommen (siehe zum Beispiel hier) und nach dem zaghaften, aber dennoch erfreulichen Umdenken einiger Bürger hin zu mehr Bewusstsein für den Datenschutz ist den Damen und Herren von der CDU, dem momentan umfragenmäßig stärkeren Koalitionspartner, offenbar schon jedes Mittel recht, um die eigenen Vorstellungen möglichst schnell durchzusetzen.

Dabei ließen einige der Damen und Herren, denen man eigentlich ohne Bedenken die Regierung eines Staates und das Wohl seiner Bürger anvertrauen können sollte, wieder einmal sämtliche Grenzen des guten Geschmacks und der politischen Fairness weit hinter sich- ebenso wie den Respekt vor demokratischen Prozessen und das Gespür für die Erfordernisse unseres Rechtsstaates.

Wie ein kleines Kind, das beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel verloren hat und dann sofort alle Mitspieler doof findet (und die Spielregeln sowieso) kann die CDU offenbar nicht akzeptieren, dass sie auf der gestrigen Innenminister-Konferenz damit gescheitert ist, die Online-Durchsuchung im Expresstempo durchzubringen und so die momentan herrschende gesellschaftliche Stimmung (die nach den vereitelten Anschlägen wieder eine größere Akzeptanz für Maßnahmen wie die Online-Durchsuchung andeutet) auszunutzen.

Schuld ist, wie nicht anders zu erwarten, der politische Gegner, der sich (momentan noch) weigert, den Forderungen der Schwarzen nachzugeben. Und weil „Die sind blöd“ nunmal nicht so gut klingt, werden härtere Geschütze aufgefahren. Das geht (wieder einmal) bis hin zu moralischer Erpressung. So berichtet heise online: Vertreter von CDU/CSU bezeichnen die abwartende Haltung der Sozialdemokraten als unhaltbar, während diese den „primitiven Druck“ zurückweisen. Wie weit ist es mit unserer Demokratie gekommen, wenn ein gewählter Volksvertreter eine abweichende Meinung beziehungsweise eine andere Einschätzung einer Situation (möglicherweise auch eine abweichende Prioritätensetzung) mal eben so als „unhaltbar“ bezeichnet und das offenbar nicht nur seine Parteifreunde, sondern auch die meisten Bürger völlig normal und akzeptabel finden? Auf einem solchen Niveau kann man nicht mehr konstruktiv diskutieren sondern nur noch Versuchen, den Gegner durch Druck und Schuldgefühle zum Umkehren zu bewegen. Wird so jetzt in diesem Land Politik gemacht?

Es scheint fast so, denn leider sind diese Äußerungen kein Einzelfall. Andere CDU-Vertreter stoßen ins selbe Horn. Ich zitiere noch einmal heise, da dort das ganze Ausmaß dieser fast schon als Hetzkampagne zu bezeichnenden Äußerungen so schön deutlich wird: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) etwa hat konkret seinen schleswig-holsteinischen Amtskollegen Ralf Stegner angegriffen. Der SPD-Politiker habe nach einer anfänglichen Einigung in der Innenministerkonferenz eine Grundsatz-Vereinbarung zu den von der Union geforderten Netzbespitzelungen blockiert, sagte Schünemann der dpa. Das sei „verantwortungslos“. Er habe solch parteitaktisches Verhalten in schwierigen Situationen bei einer Innenministerkonferenz noch nicht erlebt. Der CDU-Politiker bezeichnete es als „Sicherheitsrisiko“, wenn die rechtlichen Grundlagen für Online-Razzien nicht geschaffen würden. Die Sozialdemokraten würden sich nach den Festnahmen von drei Terrorverdächtigen winden und nur noch herumeiern.

Alles klar? Zunächst einmal zeigen diese Aussagen, wie knapp wir offenbar noch einmal davongekommen sind, legt der Begriff „anfängliche Einigung“ doch den Schluss nahe, dass wir Millimeter davor waren, wieder ein weiteres Stück unserer Privatsphäre dem Überwachungswahn und der eher gefühlten als konkreten Terrorgefahr zu opfern. Aber auch die Geisteshaltung des Herrn Schünemann wird hier recht deutlich und ist kaum weniger erschreckend. Was bitte ist verantwortungslos daran, gegen Online-Durchsuchungen zu sein? Verantwortungslos ist es eher, die Argumente der Gegenseite noch nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen, sondern deren mangelnde Kooperation als reine „Parteitaktik“ zu diffamieren. Parteitaktik ist eher das Verhalten von Schünemann und seinen Gleichgesinnten selbst, denen offenbar so sehr daran gelegen ist, in diesem Konflikt die Oberhand zu behalten, dass sie die Grundregeln demokratischer Gesprächskultur über Bord werfen und obendrein noch mit den Ängsten der Bevölkerung spielen, diese anheizen und ihre politischen Gegner als Sündenböcke hinstellen. Ein solches Verhalten ist schlicht und ergreifend unwürdig.

Wahrscheinlich ist es obendrein auch noch überflüssig, da zu befürchten ist, dass die SPD ihre Ablehnung ohnehin nicht mehr lange durchhalten wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

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