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Schäuble, die VDS und eine Demo

7. Januar 2008

Auf einer Wahlkampfveranstaltung des Münchner Oberbürgermeisterkandidaten Josef Schmid, die den bezeichnenden Titel „Was zählt ist Sicherheit“ trug, meldete sich heute auch Bundesinnenminister Wolf*an* Schäuble zu Wort und verteidigte in seiner Rede die Vorratsdatenspeicherung. Unter anderem führte er als Beweis für die Wirksamkeit dieser Maßnahme vor kurzem durch Jugendliche begangene Gewalttaten an- auch wenn diese laut anderen Medienberichten gar nicht durch die Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt wurden.

Zeitgleich zu Schäubles Rede fand draußen eine Demonstration von je nach Quelle (es berichten unter anderem der Bayerische Rundfunk und heise online) 500 bis 700 Datenschützern statt.

Auch die Rede selbst wurde durch Sprechchöre „Freiheit stirbt mit Sicherheit“ gestört, was die anwesenden Sicherheitskräfte aber schnell unterbanden. Den Beteiligten warf Schäuble daraufhin ein „merkwürdiges Freiheitsverständnis“ vor. Damit aber nicht genug: Auch die hunderte Bürger, die von ihrem Grundrecht auf freihe Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch machten um ihrer Besorgnis über die zunehmenden Grundrechtseingriffe der Regierung Ausdruck zu verleihen, wurden vom Bundesinnenminister zum Ziel seiner Rhetorik gemacht.

Dies geschah in einer Art und Weise, die mangelnden Respekt vor den Bundesbürgern und ihren Rechten nahelegt. Heise online berichtet: „Auch eine vor dem Gebäude stattfindende Demonstration, auf der unter anderem der Grünen-Politiker Jerzy Montag sprach, konnte Schäuble für seine Argumentation einsetzen, indem er den Zuhörern versicherte, sie könnten trotz der Demonstranten sicher nach Hause gehen, weil genug Polizei vor Ort sei, um sie zu beschützen.“ Bei einer derartigen Dreistigkeit würden einem wahrscheinlich die Worte fehlen, wäre man geschmacklose und herabwürdigende Attacken des Bundesinnenministers gegen seine politischen Gegner nicht mittlerweile schon fast gewöhnt.

Die Medien berichten nicht von Übergriffen auf der Münchener Demo, diese wird also weitestgehend friedlich verlaufen sein. Somit bestand für die Anwohner, die Besucher des Parteitages oder andere Beteiligte keinerlei Grund, sich Sorgen um ihre Sicherheit zu machen. Ich war selbst bereits mehrfach auf Demonstrationen und von einer friedlichen Demo hat kein Passant etwas gefährlicheres als einen Flyer oder allenfalls, je nach Gesinnung, ein leicht durcheinander gebrachtes Weltbild zu erwarten. Wolf*an* Schäuble hingegen tut so, als würde auf der Straße der Mob toben und nur die anwesende Polizei mit Mühe und Not die Ordnung und die körperliche Unversehrtheit vorbeikommender Bürger aufrecht erhalten.

Das ist nicht nur unfair, es grenzt schon sehr hart an Verleumdung. Einem Politiker in verantwortungsvoller Position sollte, nein, muss bewusst sein, dass nicht alle Demonstranten Chaoten oder gewalttätig sind. Die meisten von ihnen sind einfach nur besorgte Bürger, die ihr Anliegen in die Öffentlichkeit bringen wollen und eine derartige Verunglimpfung in keiner Weise verdienen. Diese Menschen haben sich nichts anderes zu schulden kommen lassen als ihre Rechte, genauer gesagt eines ihrer Grundrechte wahrzunehmen und unsere Demokratie mitgestalten zu wollen. Offenbar etwas, das Schäuble nicht passt; wieso sonst sollte er sich in dieser Art und Weise äußern? „Privacy is not a crime“, ist auf den T-Shirts vieler Datenschützer zu lesen, oder auch „Freiheit ist kein Verbrechen“. Beides ist wahr. Ebenso wenig ist es auch ein Verbrechen, für diese Werte im Rahmen friedlicher, rechtsstaatlicher Methoden einzutreten.

Ganz abgesehen davon wird hier wieder einmal Angst geschürt- Angst vor den Demonstranten, die doch nichts anderes tun, als auf die Wahrung ihrer Rechte zu pochen. Den Anwesenden wird suggeriert, dass es sich bei dieser Demonstration um etwas potentiell gefährliches handelt; dass verschärfte Sicherheitsmaßnahmen nötig sind, um sie zu schützen. Ginge es nach Schäuble, würde in Deutschland wohl jeder in ständiger Angst vor Terroristen, Gewalttätern, Linken, Datenschützern und Hackern leben und sich nur dank Videoüberwachung, VDS, Online-Durchsuchung und verstärkter Polizeipräsenz noch auf die Straße trauen.

Äußerungen wie die heute getroffene sind beiden Seiten gegenüber unfair- den Demonstranten gegenüber, weil ihnen negative Handlungen und Eigenschaften unterstellt werden, die bei den meisten von ihnen absolut nicht zutreffen, und den „neutralen“ Bürgern gegenüber, weil ihnen eine Angst zugemutet wird, die in dieser Form weder konstruktiv noch gerechtfertigt ist- und weil diese Angst vielen von ihnen die Chance nimmt, sich objektiv und unvoreingenommen mit der Thematik zu befassen und sich, angstfrei, ihre eigene Meinung zu bilden.

Ich kann mich nur wiederholen: Ein Politiker mit einer solchen Einstellung seinen Bürgern und deren Rechten gegenüber gehört nicht in ein Ministeramt!

5 Kommentare leave one →
  1. Thomas permalink
    7. Januar 2008 12:35 pm

    Die aktuellen Äußerungen von Schäuble finde ich, trotz ihrer unverfrorenheit, doch bemerkenswert. Es scheint so, als hätte er einen neuen Weg gefunden mit seinen Kritikern und der Kritik umzugehen. Statt immer nur seine immer gleichen Argumente und Phrasen herunterzubeten, münzt er nun anscheinend die Kritik an seinen Vorhaben um für seine Argumentation bzw. Agitation (Stichwort: „Sie können beruhigt nach Hause gehen, die Polizei beschützt Sie.“).

  2. michael permalink
    8. Januar 2008 12:05 am

    Der Besuch einer Wahlkampfveranstaltung (egal welche Partei) sehe ich als sinnlosen Konsum von dröger Propaganda.
    Da kann ich ja gleich im Fernsehen die sendung „9- Live“ oder „Mehrtfernsehen“ anschauen.

    Dank an die Demonstranten:
    Deren gewaltfreies Auftreten läßt die Schäublepropaganda von selber unglaubwürdig werden. Gewalttätigkeiten wären nur Wasser auf Schäubles Mühlen gewesen.

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