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Immer Ärger um Wikileaks

25. März 2009

Offensichtlich wurde der Besitzer der Domain wikileaks.de unfreiwilliger Gastgeber einiger Damen und Herren in grün: Theodor Reppe, der dem Whistleblowing-Portal die Domain sponsert, wurde am Montag Abend zum Ziel einer umfangreichen Durchsuchung seiner Wohnsitze in Jena und Dresden (ausführlicheres dazu habe ich hier geschrieben). Mehrere Dinge an dieser Durchsuchung fallen auf – und keines davon ist beruhigend.

Da ist zunächst einmal die offensichtlich schlampig oder bewusst unter Missachtung der Vorschriften durchgeführte Durchsuchung selbst. Wo, außer in einer Bananenrepublik, ist es akzeptabel, einen Verdächtigen nicht über seine Rechte zu informieren? Und wo fälscht man einfach einen Durchsuchungsbericht? Die naheliegende Antwort („anscheinend in Deutschland“) zeichnet ein nicht gerade schmeichelhaftes Bild vom Verhalten der beteiligten Polizistinnen und Polizisten. Man darf schon einmal gespannt sein, was im Laufe der Ermittlungen noch hinzukommen wird an nicht korrektem Verhalten von Seiten der Polizei.

Zweiter Kritikpunkt: Wieso wurde, angesichts der doch mehr als schwammigen Begründung der Durchsuchung, vom zuständigen Richter überhaupt Grünes Licht gegeben? Was für ein Verdachtsmoment ist es, wenn jemand eine Domain besitzt, die zu einer Seite gehört, auf der Listen verlinkt werden, die möglicherweise auf verbotenes Material verlinken? Reppe ist noch nicht einmal redaktionell für Wikileaks tätig – er ist lediglich Domain-Owner. Auch die Begründung „Verbreitung von pornographischem Material“ sagt absolut nichts aus – pornographisches Material als solches ist keineswegs illegal. Wenn aber illegales, beispielsweise kinderpornographisches, Material gemeint ist, wieso wird das dann nicht explizit erwähnt? Und was hat es mit der ominösen „Suche nach Beweisen“ auf sich? Hält man es für richtig, demnächst wahllos mögliche Zeugen wie auch immer gearteter krimineller Handlungen zu durchsuchen, um eventuell Hinweise zu finden? Wollen wir es nicht hoffen – aber für unmöglich kann man in dieser Hinsicht nichts mehr halten, das zeigten sowohl die Durchsuchungen diverser ranghoher Mitglieder der Piratenpartei nach deren Veröffentlichung eines geleakten Dokuments zur Quellen-TKÜ als auch die seit dem BKA-Gesetz ganz offiziell erlaubte Mit-Überwachung unverdächtiger Kontaktpersonen.

Die dritte, nicht minder unerfreuliche, Beobachtung ist keineswegs neu. Leider. Wer kritisch ist, wer sich aktiv für die Presse- und Informationsfreiheit einsetzt, hat es schwer und muss möglicherweise mit Repression rechnen. Das zeigt dieses Beispiel wieder einmal sehr deutlich.

So bleibt uns allen nicht mehr, als Reppe die Daumen zu drücken und ihm unsere Solidarität zu erklären – als Blogger, als kritische Geister, als investigative Journalisten oder politische Aktivisten. Doch, eines noch: Wir können die Vorfälle weiterhin beobachten und kritisch kommentieren und so genau jene informierte, kritische Öffentlichkeit zu schaffen versuchen, die sich Wikileaks auf die Fahnen geschrieben hat. Bei den zuständigen Behörden hat man hier ganz offensichtlich auf unliebsame Aktivitäten überreagiert – reagieren wir jetzt, indem wir dieses unangemessene Verhalten öffentlich machen.

Update: Wie man mir freundlicherweise mitteilte, wurde die Durchsuchung nicht mit Richterbeschluss, sondern aufgrund von „Gefahr im Verzug“ durchgeführt. Die diesbezügliche Kritik geht also nicht an die Justiz, sondern an den zuständigen Polizeibeamten – was nichts daran ändert, dass hier offenbar aus sehr schwachen Indizien ein Verdacht konstruiert wurde. Und bezüglich der Gefahr muss man sich doch fragen: Gefahr von was denn bitte?

9 Kommentare leave one →
  1. 25. März 2009 4:20 am

    Wie aus dem Durchsuchungs- Protokoll hervorgeht gab es keine richterliche Anordnung, sondern es wurde auf Basis von GiV [1] agiert.
    Auch bei potentiellen Zeugen kann eine Hausdurchsuchung vorgenommen werden wie z.B. bei Tobias Huch im Fall der T-Mobile Kundendaten.
    Ob er nun auf Grunde der Domain wikileaks.de durchsucht wurde ist nicht klar. Theodor Reppe betreibt auch einen der grössten deutschen Tor-Nodes, ich denke eine Verbreitung von Inhalten kann man ihm eigentlich weder bei der Domain noch bei dem Node vorwerfen, sondern ihn maximal als Mitstörer haftbar machen.

    [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Gefahr_im_Verzug

  2. Annika permalink*
    25. März 2009 4:53 am

    Danke für den Hinweis in Sachen Gefahr im Verzug, das hatte ich doch glatt übersehen.
    Was allerdings TOR angeht, muss ich Dir widersprechen: Wie Wikileaks in seiner Pressemitteilung verlautbaren lässt, wurde Reppe von der Polizei eindeutig gesagt, die Durchsuchung finde aufgrund seiner Eigenschaft als Domain-Owner von wikileaks.de statt. Sein TOR-Server dürfte also weniger damit zu tun haben.

  3. Jens Neldner permalink
    25. März 2009 8:56 pm

    Gesetze, die primär dazu gedacht sind, immer weitere Kreise der Bevölkerung einzuschüchtern oder zu kriminalisieren, funktionieren nicht solange kritische Geister alternative Informationen zugänglich machen, unterschlagene Aspekte beleuchten und darauf hinweisen, wie abgewirtschaftet (nicht nur) die BRD inzwischen ist, prüft man sie auf den (tatsächlichen) politischen Willen zur Demokratie!
    Werden Repräsentanten einer sich immer engmaschiger vernetzenden Protestkultur (Andre H., Burks, Florian Walther, Betreiber von TOR-Nodes) Repressionen unterworfen, zählt am Ende nicht die Erkenntnis, dass sich Verdachtsmomente gar nicht erhärten ließen, sondern die abschreckende Wirkung, die ähnlich denkende Menschen davon abhalten soll, künftig weiter ihre kritische Stimme zu äußern.

    Genau deshalb muß der Protest immer entschiedener direkt in die Mitte der Gesellschaft getragen werden, und es dürfte ungemein hilfreich sein, jede – juristisch leicht anfechtbare – „Zersetzungsmaßnahme“ der Behörden in allen Details öffentlich zu machen.
    Demaskiert diese Leute, die es wagen, von „Freiheit“ zu sprechen, während alle ihre Energien darauf gerichtet sind unsere Staaten in Gefängnisse zu verwandeln und uns in Lebenslängliche!

  4. 26. März 2009 7:46 pm

    Theodor ist offenbar nun Mandant von Lawblogger Udo Vetter.
    http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/03/26/warnung-vor-links-auf-wikileaks/
    Der hat dazu einige vorab Infos geschrieben. Theodor will das anscheinend ausfechten.
    Also meine Unterstützung hat er!

  5. Annika permalink*
    27. März 2009 3:43 am

    Ja, meine auch 😉 habe dazu direkt einen neuen Kommentar geschrieben wie man sieht.

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