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Gegen VDS – europaweit

9. April 2008

Eine weitere recht medienwirksame Aktion gegen die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten gelang dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Wie dieser in einer Pressemitteilung bekannt gibt, hat er zusammen mit anderen Organisationen aus dem europäischen Ausland (die Rede ist von „43 Bürgerrechtsorganisationen und Berufsverbänden aus 11 EU-Mitgliedsstaaten) wieder einmal den juristischen Weg beschritten.

Dem europäischen Gerichtshof liegt bereits eine Nichtigkeitsklage Irlands gegen die die Vorratsdatenspeicherung fordernde Maßnahme vor. Diese beruft sich allerdings auf rein formelle Gründe, nicht auf den Inhalt des Gesetzes. Zu wenig, befand der Arbeitskreis- und legte nach. Die Aktivisten …weisen darauf hin, dass die Richtlinie neben den von Irland genannten formellen Gründen vor allem auch inhaltlich rechtswidrig sei. Die Vorratsdatenspeicherung verstoße gegen das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz, das Grundrecht auf unbefangene Meinungsäußerung und das Grundrecht der Betreiber auf Eigentumsschutz.

Starke Worte, die allerdings meines Erachtens den vorliegenden Sachverhalt sehr treffend beschreiben. Die Vorratsdatenspeicherung greift in unsere Privatsphäre ein- in meinen Augen gar keine Frage, denn wen geht es etwas an, ob ich mit meiner Mutter, einem Mitglied unserer Bürgerinitiative, einem Strafverteidiger oder einem Arzt spreche? Wer hat das Recht, festzustellen, ob ich diese von zuhause, der Uni oder von sonstwo anrufe? Meiner Meinung nach absolut niemand, außer Personen, denen ich das freiwillig mitteile. Dieser grundlegende Sachverhalt bleibt in meinen Augen auch noch bestehen, wenn der Zugriff auf die gespeicherten Daten, wie jetzt, massiv eingeschränkt ist, denn wenn die Daten einmal gesammelt sind und bereit stehen, weiß ich als deren „Urheberin“ nicht mehr, was damit geschieht, und habe darauf auch keinerlei Einfluss. Auch das ist schon ein Eingriff in meine Privatsphäre beziehungsweise die aller Betroffenen. Dieser Kontrollverlust über die eigenen Daten begünstigt Missbrauch aller Art und nimmt Betroffenen ein Stück ihrer Souveränität. Und betroffen- das ist in diesem Fall fast jeder, der in diesem Land lebt. Ähnliches gilt auch für das Grundrecht aus Achtung der Korrespondenz- wenn erfasst wird, wann und mit wem ich telefoniere, liegt meines Erachtens, aus den bereits erwähnten Gründen, ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bereits vor.

Beim Grundrecht auf unbefangene Meinungsäußerung ist der Zusammenhang auf den ersten Blick nicht ganz so klar erkennbar, in meinen Augen aber auf jeden Fall vorhanden. Bereits mehrfach habe ich hier darauf hingewiesen, dass die wenigsten Menschen in der Lage sind, sich, wenn sie ständig überwacht werden, so zu verhalten, wie sie das auch ohne diese Überwachung tun würden. Unbehagen und Angst, sachlich begründet oder nicht, verwehren vielen diese Möglichkeit. Das erste, was viele Menschen unter diesen Bedingungen einschränken, ist die Inanspruchnahme ihres verfassungsmäßig garantierten Rechtes auf freie Meinungsäußerung. Das Recht als solches ist nach wie vor vorhanden, aber sie verzichten darauf, davon Gebrauch zu machen. Man wäre vielleicht geneigt zu sagen freiwillig, jedoch ist dies mehr als fraglich, wenn Menschen ihre Rechte nur deshalb nicht ausüben, weil sie dafür zu eingeschüchtert und verängstigt sind. Und genau darin liegt der Eingriff in dieses Grundrecht- nicht im äußeren Zwang, sondern in der Schaffung von Umständen, die viele Menschen in einen Zustand versetzen, in dem sie bestimmte Rechte nicht mehr, nur noch eingeschränkt oder nur noch unter Aufbringung unverhältnismäßiger Willensanstrengung nutzen.

Der finanzielle Aspekt schließlich ließe sich meiner Ansicht nach am ehesten durch die immense Verschwendung von Steuergeldern für die Vorratsdatenspeicherung aufzeigen. Hier zahlen wir alle für eine Maßnahme, die uns nicht oder fast nicht sicherer macht („Während ihre abschreckende Wirkung unserer Gesellschaft großen Schaden zuzufügen droht, erscheint ihr Nutzen insgesamt gering. Eine Vorratsdatenspeicherung kann nur in wenigen und meist wenig bedeutsamen Fällen den Rechtsgüterschutz verbessern. Eine dauerhafte Auswirkung auf das Kriminalitätsrisiko ist hingegen nicht zu erwarten,“ vermeldet hierzu auch der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung), dafür aber einige unserer wichtigen, uns verfassungsmäßig garantierten Rechte stark einschränkt. Und wir zahlen nicht zu knapp. Die für die Vorratsdatenspeicherung benötigte Infrastruktur wie die Server, Datenträger, vor allem aber die nötigen Sicherheitsmaßnahmen (plus Fachleute, um diese zu administrieren und aktuell zu halten) sollte in ihren Kosten auf keinen Fall unterschätzt werden. Wer dieses Argument jetzt abzutun bereit ist („Geht ja nur um Geld“), der möge sich bitte einmal überlegen, wie viele Bildungsmaßnahmen, Kinderspielplätze, Forschungsprojekte oder auch effektive und unsere Rechte nicht unverhältnismäßig einschränkende Sicherheitsmaßnahmen man mit diesem Geld finanzieren könnte. Geld ist immer Mittel zum Zweck- hier aber zu keinem, der unserer Gesellschaft weiterhilft.

Die juristische Effektivität dieser Maßnahme kann ich als juristisch nicht vorgebildete Person beim besten Willen nicht beurteilen. Inhaltlich aber stimme ich den Aktiven in jedem Fall in allen genannten Punkten zu und bin froh, dass es gelungen ist, das Thema so möglicherweise etwas mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. Natürlich hoffe ich, wie viele andere, dass die EU-Richtlinie letzten Endes fallen wird und so der Bundesregierung ein wichtiges Argument zur Begründung der Vorratsdatenspeicherung abhanden kommt- denn ich will endlich wieder telefonieren, ohne dabei andere Personen als meinen Gesprächspartner mein Verhalten beeinflussen zu lassen.

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