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Die EU und dicke Datenbanken

28. März 2008

Wie der ORF unter Berufung auf die dpa berichtet, scheint die EU nicht vorzuhaben, von ihren Plänen für eine weitere riesige, den Datenschutz nach Ansicht vieler Experten auf das heftigste gefährdende Datenbank abzurücken. In der Datenbank sollen die Fingerabdrücke sämtlicher Passinhaber zwischen 6 und 79 Jahren aus allen EU-Ländern zentral gespeichert werden. Diese Pläne existieren schon seit einer Weile und offenbar ist es den EU-Oberen ernst damit: Obwohl Europas oberster Datenschützer davor ausdrücklich warnt, bekräftigte die Kommission ihr Vorhaben am Donnerstag, weiß der ORF zu berichten.

Der europäische Datenschutzbeauftragte, Peter Hustinx, hatte in der Tat einiges an Kritik anzumelden. Die Schaffung einer derart umfangreichen zentralisierten Datenbank führt nach seiner Ansicht zu „zusätzlichen Gefahren für den Schutz personenbezogener Daten“. Auch kritisiert er, die Datenschützer seien beim Formulieren dieser Pläne übergangen und die möglichen Folgen der geplanten weitreichenden Erfassung von Millionen EU-Bürgern nicht hinreichend untersucht worden.

Über die internen Abläufe vermögen Außenstehende wenig bis gar nichts zu sagen, aber in einer Hinsicht hat der Mann definitiv recht: Die Schaffung weiterer zentralisierter Datenbanken, insbesondere von derart riesigen Ausmaßen, birgt eklatante Risiken. Einmal angesammelt und gespeichert haben derartige Datenmengen die fatale Eigenschaft, sich von ihren eigentlichen Herren nur noch bedingt kontrollieren zu lassen. Sie schaffen Begehrlichkeiten und enden oft da, wo sie nach Meinung der Mehrheit nicht hin sollen- bei korrupten oder vor Übereifer blinden Ermittlungsbeamten, bei Cyberkriminellen, deren technische Skills nur noch von ihrer Geldgier übertroffen werden, letzten Endes möglicherweise auf irgendwelchen Warezbörsen auf russischen Servern neben Zero Day Exploits für MS Office und dem Keygen für das neueste Computerspiel. Dieser Risiken sollte sich sehr bewusst sein, wer derartige Datensammlungen schafft- und er muss schon sehr gut begründen können, wieso er es trotzdem für nötig hält die privaten Daten anderer Menschen diesem Risiko auszusetzen- falls es überhaupt eine Begründung gibt, so etwas zu rechtfertigen, ist doch bisher weder die Effektivität solcher Maßnahmen bewiesen noch die Tatsache, dass sie sinnvoll abzusichern sind. Von ihrer Vereinbarkeit mit dem gerade in Europa an sich bedeutenden Menschenbild, dass die Freiheit des Individuums in den Vordergrund stellt, ganz zu schweigen. Abgesehen davon- wie stellt man eigentlich sicher, dass alle beteiligten Länder vergleichbare und akzeptable Standards im Umgang mit diesen Daten einhalten? Was ist mit Ländern wie den USA, die sicher auch gerne ein Stück vom saftig-leckeren Datenkuchen haben wollen- bei denen man aber weiß, dass die Tischmanieren zu wünschen übrig lassen? Ich möchte nicht nach amerikanischem Datenschutzrecht oder den dort herrschenden Vorstellungen von sinnvoller Ermittlungsarbeit behandelt werden, und ich könnte mir vorstellen, dass es vielen meiner Mitmenschen kaum anders geht.

Diese Datenbanken sind ein gutes Beispiel dafür, dass Privatsphäre und Sicherheit eben keine Gegensätze sind, sondern oft unter den selben aktionistischen und technisch unausgereiften Maßnahmen leiden. Die Privatsphäre der Bürger wird durch eine solche Speicherung massiv verletzt, sie verlieren einen Teil ihrer Souveränität gegenüber einer übergeordneten Macht, sie werden unter einen Generalverdacht gestellt, behandelt wie früher nur Verbrecher- wo die Verletzung der Freiheit liegt, dürfte ersichtlich sein.

Aber macht dieser Verzicht auf Freiheit die Menschen sicherer? Wie oben bereits angedeutet ist das Gegenteil der Fall. Ohne es selbst beeinflussen zu können werden alle, die in einer solchen Datenbank landen, einem erheblichen Risiko ausgesetzt, zum Opfer von staatlicher Willkür oder von Kriminalität zu werden. Wer diese Daten hat, hat Macht über denjenigen, dem sie gehören- eine Macht, die staatlichen Behörden nicht zusteht und die in die Hand von Kriminellen fallen zu lassen man nicht riskieren darf.Datensparsamkeit heißt hier das Zauberwort- eines, dass die politischen Anführer der EU offenbar noch immer nicht verinnerlicht, ja, auch nur ansatzweise verstanden haben. Man darf gespannt sein, was eine solche Mischung aus Aktionismus, Größenwahn und Ignoranz noch alles für Blüten treibt. Es erscheint wahrscheinlich, dass auch die Besitzer normaler Ausweisdokumente (die ja auch zunehmend auf Biometrie umgestellt werden) demnächst zum Ziel der europäischen Datensammelei werden.

Soweit sollte es nicht kommen. Sobald die hier vorgestellten Pläne konkret werden, muss sich unter den Datenschützern Widerstand regen- nur weil es die EU ist, sind wir weder moralisch zum Schweigen verpflichtet noch macht- und hilflos- im Gegenteil! Menschen wie Hustinx muss der Rücken gestärkt werden; sie müssen die versammelte Datenschutzbewegung Europas hinter sich wissen. Jenseits von Grabenkämpfen und Kinderspielchen muss klar sein, dass gegen einen großen und mächtigen Gegner wie die versammelte Polit- und Ermittlungselite der EU nur alle gemeinsam eine Chance haben, ihre Vorstellungen von einem freien und sicheren Europa durchzusetzen. Denn nicht nur die Datenbanken wachsen- unsere Entschlossenheit, politisch etwas zu bewegen, tut es auch- mit jedem unkonstruktiven, freiheitsfeindlichen und potentiell gefährlichen Pseudo-Sicherheitsgesetz. Bei allen Vorteilen, die ein vereintes Europa bietet, darf es nicht dazu missbraucht werden, die größten Fehler der Mitgliedsstaaten in größerem Maßstab zu wiederholen.

3 Kommentare leave one →
  1. andy permalink
    28. März 2008 11:56 am

    ich stimme dem voll und ganz zu, und möchte noch anmerken, dass es zumindest theoretisch durch zentrale datenbanken und den ganzen kram nicht nur die Möglichkeit gibt, illegal daten zu bekommen, sondern unter umständen auch manipulierte daten in die datenbank zu schreiben um dadurch z.B. einen reisepass zu bekommen, mit dem dann z.B. terroristen unerkannt in die usa fliegen könnten, weil der chihp und die daten helfen nichtmehr, wenn sie zuvor manipuliert wurden – verlieren tut dabei wirklich nur der kleine bürger, denn wenn jedermanns fingerabdrücke erstmal gespeichert sind, kommt es hundertprozentig zu einer extrem ansteigenden rate zu unrecht beschuldigter menschen. Denn Autoknackerbanden werden weiter Handschuhe tragen, aber der normale bürger, der sich fünf minuten bevor die scheibe eingeschlagen wurde auf der motorhaube abstütz, warum auch immer, der wird als erstes verdächtigt werden, die scheibe zerstört und das radio geklaut zu haben.

  2. andy permalink
    28. März 2008 12:50 pm

    Ergänzend dazu:

    Bisher taucht der Fingerabdruck eines unbescholtenen Bürgers in keinen Datenbanken auf, in 10 jahren aber der von jedem, daraus resultiert dann, das man den fingerabdrück des abstützenden problemlos zuordnen kann und noch am selben tag bei diesem vor der tür stehen, und für diejenigen wird es schwer werden sich gegen so ein indiz zu wehren, das wäre heute zwar im prinzip das selbe, doch da heute ein nicht erkunngsdienstlich erfasster bürger mit sicherheit nicht schnell ermittelt werden kann, ist die gefahr hier zu unrecht beschuldigt oder gar angelkagt zu werden deutlich geringer, alles in allem ist das auch kein wirklich gutes beispiel, es sollte deutlich machen, was ich meine.

    Und nochmal zu den manipulierten datensätzen von mir, wenn nun eine kriminelle organisation egal welcher art auch nur einen einzigen korrupten beamten mit zugriff auf interne rechner haben, der lediglich einen internen rechner unbemerkt manipuliert, könnte dies schon vollzugriff auf die datenbanken bewirken, nicht unbedingt aber theoretisch, und was z.B. die mafia mit den daten anfangen könnte, ist uns wohl allen vollig klar, zugriff auf diese daten ermöglicht sogar, seine identität problelos wechseln zu können, denn man müsste ja nichtmal ausweise fälschen, man speist einfach eine neue identität ein, einen menschen dens garnicht gibt, fignerabdrücke und bild dazu, seine alten daten gelöscht und voila, er kann zum amt gehen, seinen pass verloren melden und bekommt anstandslos einen neuen ausgestellt, als vollkommen unbescholtener, normaler bürger – das is zwar ein sehr extremes horror-szenario, ich halte es aber für grundsätzlich möglich, vielleicht (hoffentlich) irre ich mich hier aber auch, ich bin ja schlißlch kein IT- und shcon garkein Sicherheitsexperte 🙂

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