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SPD pro Bundestrojaner?

21. Januar 2008

Nachdem vor kurzem noch einmal mehrere Unions-Politiker die Notwendigkeit einer schnellen Einführung der heimlichen Online-Durchsuchung betonten, nutzte nun auch ein Verfechter dieser Maßnahme aus den Reihen der SPD die Gunst der Stunde, um seine Position noch einmal deutlich zu machen. Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach in einem Interview mit der taz davon, die „politische Entscheidung für die Online-Durchsuchung“ sei in seiner Partei „im Prinzip schon gefallen“.

Im Gegensatz zum jüngsten Vorstoß einiger Unions-Politiker sprach sich Wiefelspütz dafür aus, den Abhörschutz bestimmter Berufsgruppen (Strafverteidiger, Abgeordneter und Geistlicher) aufrecht zu erhalten. Andere Positionen der CDU/CSU zur BKA-Novelle teilt er dagegen; insbesondere ist er wie der Koalitionspartner für die Einführung der Online-Durchsuchung: „Unser Fraktionschef Peter Struck hat darauf verwiesen, dass alle maßgeblichen Sicherheitsexperten die Online-Durchsuchung für notwendig erklären. Wenn das Verfassungsgericht die Online-Durchsuchung für grundsätzlich verfassungskonform hält, dann werden wir sie ins BKA-Gesetz aufnehmen – mit den vom Verfassungsgericht geforderten Einschränkungen.“

Zunächst einmal ist sehr positiv zu vermerken, dass explizit davon die Rede ist, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Das muss man Wiefelspütz hoch anrechnen; soviel Respekt vor diesem Gremium ist bei seinen Kollegen leider nicht mehr selbstverständlich. Da wird entweder so getan, als hätte man vom anstehenden Grundsatzurteil noch nie etwas gehört, oder versucht, ein Gesetz so schnell wie möglich noch vor dem Urteil durchzudrücken. Dem gegenüber beweist Wiefelspütz den einem demokratischen Politiker anstehenden Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht- zehn Punkte dafür.

Fünf davon müsste man allerdings direkt wieder abziehen für den Verweis auf irgendwelche nicht näher bezeichneten Experten (Namen hätten hier die eigene Position wesentlich besser untermauert und zugleich noch den positiven Nebeneffekt gehabt, Interessierten die Beschäftigung mit dieser Position zu ermöglichen) und das dabei stattfindende Ignorieren kritischer Stimmen. Zunächst einmal- wieso nur Sicherheitsexperten? Natürlich geht es hier um die innere Sicherheit, aber bei einer Maßnahme wie der Online-Durchsuchung spielen auch andere Dinge eine maßgebliche Rolle. Was ist mit Experten für Computer und das Internet? Verfassungsrecht? Ethik? Was mit den Polizisten, die die alle eingeführten Ermittlungsmaßnahmen schließlich später umsetzen sollen? Alle diese Gruppen hätten ein gutes Recht, zu einer solchen Entscheidung zu Wort zu kommen. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass ausnahmslos jeder dieser Experten die Online-Durchsuchung für sinnvoll und notwendig hält. Ehrlich gesagt glaube ich noch nicht einmal, dass jeder Sicherheitsexperte die Online-Durchsuchung für eine gute Idee hält- dazu ist diese zu leicht zu umgehen und zu aufwendig. Oder sind für die Herren Wiefelspütz und Struck nur Experten „maßgeblich“, die die eigene Meinung vertreten? Entweder haben wir es hier mit Ignoranz zu tun oder mit einem simplen Fall von schlechter Diskussionskultur- wer sich auf Quellen und Experten beruft, sollte diese auch beim Namen nennen.

Darauf angesprochen, dass man ja nicht „alles tun müsse, was verfassungsrechtlich so gerade noch zulässig ist“ (meines Erachtens ein sehr sinnvoller Einwand des das Interview führenden taz-Reporters) wurde Wiefelspütz dann deutlich: „Das ist richtig. Aber die politische Entscheidung ist nach meinem Eindruck gefallen – auch wenn ein formeller Beschluss der SPD-Fraktion noch aussteht. Es geht nun nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie der Online-Durchsuchung.

Es sieht also nicht so aus, als wäre von der SPD in dem Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Online-Durchsuchung zulässt, noch nennenswerter Widerstand gegen diese Maßnahme zu erwarten. Sicher, Dieter Wiefelspütz mag sich irren, aber es ist schon sehr wahrscheinlich, dass er die Stimmung in seiner Partei korrekt einschätzen kann. Somit würde die Online-Durchsuchung von der großen Koalition mehr oder weniger geschlossen unterstützt- und wohin das führt, haben wir ja bereits bei der Vorratsdatenspeicherung gesehen.

Man darf allerdings nicht vergessen, dass auch hier „über ungelegte Eier gegackert“ wird. Noch gibt es kein Urteil zur Online-Durchsuchung, und es ist sehr gut möglich (bis wahrscheinlich), dass dieses ohnehin negativ ausfallen wird. Somit wäre die Befürwortung der SPD für diese Maßnahme ebenso belanglos wie die der Union. Trotzdem sollte man diese Entscheidung natürlich im Kopf behalten- spätestens für den nächsten Gang zur Wahlurne.

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